Für unsere Reihe „Digitalisierung – Was steckt dahinter“ stellte sich Kilian Thalhammer bei einem Interview unseren Fragen.

Kilian Thalhammer war bei PAYMILL als Managing Director und Global CPO für alle produkt- und IT-relevanten Aktivitäten zuständig. Er verantwortete sowohl strategische Produktentscheidungen als auch deren technische Implementierung. Vor seinem Wechsel zu PAYMILL hatte er mehrere Positionen in den Bereichen Consulting und Produktmanagement bei verschiedenen Payment- und E-Commerce-Anbietern inne (u. a. bei Swiss Post, RatePAY, Otto Group). Aufgrund dessen kennt er sich nicht nur mit dem Thema Digitalisierung im Allgemeinen aus, sondern ist einer der wenigen Experten, die seit Jahren die Digitalisierung im Bereich Payment in Deutschland vorantreiben.
 
Herr Thalhammer, was genau verstehen Sie unter Digitalisierung?

… Digitalisierung bedeutet für mich die grundlegende Veränderung des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Lebens durch neue digitale Technologien. Viele dieser Veränderungen sehe ich grundsätzlich positiv, allerdings ist an manchen Stellen auch Vorsicht geboten.

 

Welche Schlagworte verbinden sie mit der Digitalisierung?

… Innovativ, disruptiv, Geschwindigkeit, Skalierung.

 
Welche Herausforderungen sehen Sie im Bereich Digitalisierung?

… Durch die Digitalisierung ändern sich ganze Branchen und Geschäftsmodelle. Dies geht auch mit dem veränderten Konsumentenverhalten und einem anderen Wertesystem einher. Für etablierte Unternehmen ist es daher wichtig, die eigenen Produkte und Geschäftsmodelle kontinuierlich zu hinterfragen und anzupassen. Zu bedenken ist auch, dass der Markteintritt von Start-ups wesentlich einfacher geworden ist und neuer Wettbewerb jederzeit entstehen kann – häufig, bevor diese Unternehmen überhaupt als Wettbewerber wahrgenommen werden.

 
Sie sagen, dass sich ganze Branchen ändern. Welche Branche sehen Sie bei diesem Thema an der Speerspitze?

… Der Einzelhandel verbunden mit der Werbebranche (Online-Marketing) ist bereits seit Jahren sehr aktiv. Allerdings waren es hier zu Beginn nicht etablierte Unternehmen, sondern Start-ups, die die Branche umgekrempelt haben. Nur so konnten Unternehmen wie Amazon oder Zalando entstehen. Der Schlüssel liegt in der Zukunft – auch in der Verbindung der Online- und Offline-Welt (Multi-Channel-Marketing).

 
Was muss Ihrer Erfahrung nach bei der Umsetzung beachtet werden?

… Es ist wichtig, die Kundenbedürfnisse im Auge zu behalten. Digitalisierung der Produkte oder Services ergibt nur Sinn, wenn es dem Kunden auch einen Mehrwert bringt. Etwas mehr Risiko von etablierten Unternehmen wäre an dieser Stelle wünschenswert und kann sich später auszahlen. Manche Unternehmen haben in der Vergangenheit zu lange gezögert, sich anzupassen, und müssen nun um ihre Marktanteile kämpfen.

 
Wie sollte ein Unternehmen die Digitalisierung in Angriff nehmen?

… Digitalisierung sollte bereichsübergreifend und durch interdisziplinäre Teams angegangen werden. Es ist wichtig, die neuen Anforderungen zu definieren und die Maßnahmen schrittweise zu implementieren. Der Prozess der Digitalisierung sollte auf jeden Fall agil sein, da sich die Anforderungen schnell wieder ändern können. Letztendlich ist von der Digitalisierung nicht nur die Unternehmensstrategie betroffen, sondern auch die gesamte Organisation und Kultur.

 
Können Sie uns gute Beispiele für gelungene Digitalisierung nennen?

… Ein gutes, vielleicht auf den ersten Blick nicht offensichtliches Beispiel für die Digitalisierung ist der Hamburger Hafen. Dort laufen mittlerweile nahezu alle Prozesse entlang der Logistikkette digital ab. Interessant ist momentan auch der Wandel in der Automobilbranche. Die Autohersteller haben erkannt, dass sie nicht mehr nur Autos produzieren, sondern inzwischen Mobilitätsdienstleister sind und suchen nach Möglichkeiten, digitalen Service rund um ihre Autos anzubieten.

 
Und was wären Negativ-Beispiele im Bereich der Digitalisierung?

… Ein bekanntes Beispiel dafür ist Kodak. Früher führend in der Analog-Fotografie, hat Kodak die Digitalisierung der eigenen Branche nicht geschafft, während die Foto-App Instagram nach nur wenigen Monaten bereits für eine Milliarde Dollar verkauft wurde. Ähnlich erging es auch dem Weltbild-Verlag. Aktuell ist vor allem interessant, wie sich die Sharing Economy im Zusammenhang mit der Digitalisierung auf etablierte Unternehmen auswirkt. Uber und die Taxibranche sowie Airbnb und die Hotelindustrie sind zwei Beispiele dafür.


Im Bankenbereich treiben Sie das Thema seit Jahren voran. Welches Fazit ziehen Sie diesbezüglich aktuell?

… In den letzten ein bis zwei Jahren ist das Thema Digitalisierung im Bankenbereich ein großes Thema geworden. Dazu kommt auch, dass die Medien das Thema verstärkt aufgreifen und Investoren sehr viel Geld in Start-ups stecken, die Produkte im Bankenbereich digitalisieren wollen (z. B. Kreditplattformen, Bezahlverfahren). Generell ist dies aber sehr unterschiedlich. Während in Schweden fast ausschließlich mit Karte gezahlt wird, zahlen wir Deutsche immer noch am häufigsten mit Bargeld.

 
 
Was sind die nächsten Schritte bei der Digitalisierung im Bankenbereich?

… Mobile Payment ist immer noch ein großes Thema. Es gibt bisher sehr viele Lösungen, trotzdem hat sich noch keiner der Anbieter durchsetzen können und nur wenige Konsumenten nutzen Mobile Payment in Deutschland. Viele beobachten daher die Entwicklung der großen Player, wie Apple Pay oder Samsung Pay, und schätzen, dass es dadurch einen Aufschwung geben wird. Das bleibt auf jeden Fall ein spannendes Thema in nächster Zeit. Ein anderes Thema wäre noch das „Unbundling der Banken“. Darunter versteht man, dass es mittlerweile für fast jede Dienstleistung von Banken Start-ups gibt, die den gleichen Service anbieten und versuchen, den Banken die Kunden wegzunehmen.

 
Lassen Sie uns von dem Hier und Heute in das Morgen abschweifen. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Globalisierung und Digitalisierung?

… Die Digitalisierung ist einer der treibenden Motoren hinter der Globalisierung. Noch nie war es einfacher, mit Menschen auf der ganzen Welt zu kommunizieren oder Handel zu betreiben. Erst die Digitalisierung ermöglichte neue Wertschöpfungsketten und globale Produktionsverfahren.



Was sind „Breaking Digitals“, die die Welt in den nächsten zehn Jahren verändern werden?

… Im Gesundheitswesen, Bildungsbereich und in der Versicherungsbranche steckt noch enormes Potential. Viele Abläufe haben sich in den letzten Jahrzehnten nicht geändert. Darüber hinaus haben inzwischen viele Menschen Smartphones und Wearables, die ganz neue Formen von Produkten ermöglichen.

 
 
Was sollte Ihrer Meinung nach endlich einmal digitalisiert werden?

… Behördenprozesse laufen in Deutschland seit Jahrzehnten nahezu gleich ab. Möchte ich meinen Wohnort wechseln, muss ich beispielsweise immer noch zum Bürgeramt. In anderen Ländern wie in Holland funktioniert das schon lange digital. Dies kann auch für die Sachbearbeiter wesentlich angenehmer sein. Hier wären digitale Lösungen wirklich wünschenswert.

 

Und wie digital sind Sie selbst? Wie nutzen Sie Digitals in ihrem Leben?

… Das Internet ist für mich sowohl beruflich, als auch privat wichtig. Das fängt bei der Kommunikation an (z. B. E-Mail, Skype). Auf Geschäftsreisen erleichtert mir das Smartphone meinen Alltag, zum Beispiel beim Nachrichten lesen oder Check-in am Flughafen. Und auch privat ist es inzwischen sehr bequem geworden, Dinge im Internet zu bestellen oder die nächste Reise zu buchen.

 
Was werden Sie nie digitalisieren?

… Ich kaufe zwar gerne im Internet ein, frische Lebensmittel wie Obst und Gemüse kaufe ich dennoch lieber direkt im Supermarkt. Ich denke schon, dass immer mehr Menschen in Zukunft Lebensmittel auch online bestellen werden – vor allem aber verarbeitete Produkte wie Konserven oder Spülmittel.

 
Zum Abschluss wäre es schön, wenn Sie uns noch Ihren wichtigsten digitalen Tipp mit auf den Weg geben könnten?

… Obwohl Privatsphäre ein sehr wichtiges Thema in Deutschland ist, haben viele Internetnutzer oft dasselbe, einfache Passwort. Ein Passwort-Manager wäre an dieser Stelle ein Tipp. Passwort-Manager generieren sichere Passwörter und verwalten diese. Außerdem können sie auch Formulare mit Name, Adresse etc. direkt ausfüllen.


Danke, Herr Thalhammer, dass Sie sich für unsere Fragen Zeit genommen haben!

Auszug
Für unsere Reihe „Digitalisierung – Was steckt dahinter“ stellte sich Kilian Thalhammer bei einem Interview unseren Fragen.


Kilian Thalhammer war bei PAYMILL als Managing Director und Global CPO für alle produkt- und IT-relevanten Aktivitäten zuständig. Er verantwortete sowohl strategische Produktentscheidungen als auch deren technische Implementierung.